So sauber wie erwartet?

So sauber wie erwartet?

Sind die Oberflächen steril verpackter Implantate wirklich immer sauber? Leider nein, das jedenfalls sagen die Studien der gemeinnützigen CleanImplant Foundation mit Sitz in Berlin. Dr. Dirk Duddeck, Managing Director und Head of Research der CleanImplant Foundation, hat über 300 Implantate in mehreren Quality Assessment Studien untersucht – bei rund einem Drittel sind Verunreinigungen zu finden.

Ein Interview von Eva-Maria Hübner

Herr Dr. Duddeck, Sie haben mehrere Quality Assessment Studien durchgeführt. Sind die Oberflächen von Titan- und Keramikimplantaten so sauber wie Behandler und Patienten es erwarten?
Dr. Dirk Duddeck (DD): In den vergangenen Jahren haben wir weit über 300 Implantattypen unterschiedlicher Hersteller im Rasterelektronenmikroskop (REM) analysiert. Daher können wir auch die Qualitätsentwicklung von einzelnen Systemen über einen längeren Zeitraum nachverfolgen. Wir stellen fest, dass sich die Qualität sowohl verbessern aber leider auch verschlechtern kann. Die Resultate unserer aktuellen Qualitätsbewertungsstudie zeigen, dass fast jedes dritte Implantatmuster mit Rückständen aus der Fertigung oder Verunreinigungen, die auf den Verpackungsvorgang oder die Verpackung selbst zurückzuführen sind, belastet ist. Der Anteil an verunreinigten Implantattypen innerhalb der untersuchten Kohorte bleibt seit Jahren so ziemlich gleich – das ist meiner Meinung nach erschreckend.


Wie garantieren Sie, dass die Analysen unabhängig durchgeführt werden?
DD: Wir arbeiten ausschließlich mit offiziell akkreditierten Prüflaboratorien nach DIN EN ISO/IEC 17025:2018 zusammen. Diese Labore werden regelmäßig von der deutschen Akkreditierungsbehörde auditiert.


Welche Partikel finden Sie auf Implantatoberflächen, die dort nichts zu suchen haben?
DD: Besonders häufig zeigen sich kohlenstoffhaltige Kontaminationen, die wir als Polysiloxane, das heißt synthetische Polymere und thermoplastische Kunststoffe identifizieren. Auch deutliche Reste von Dodecylbenzolsulfonsäure (DBSA) sind auf Oberflächen steril verpackter Implantate zu finden. Die aggressive und oberflächenaktive Chemikalie DBSA wird laut Gefahrstoffverordnung sogar als „gesundheitsschädlich“ eingestuft. Und hier möchte ich betonen: Derartige Verunreinigungen lassen sich mit einem optimierten Produktions- oder Verpackungsprozess vermeiden. Es liegt also einzig in der Hand der Hersteller.


Wie ist die klinische Relevanz solcher werkseitig verursachten Verunreinigungen zu bewerten?
DD:
In der Literatur findet man zu diesem Thema schon seit Jahren valide Studienergebnisse. Zum Beispiel werden besonders organische, kohlenstoffhaltige Verunreinigungen in Zusammenhang mit initialem Knochenverlust oder sogar Periimplantitis gebracht.1 Vor allem Fremdpartikel mit einer Größe von 0,2 bis 7,2 µm werden als proinflammatorisch eingestuft. Die Sekretion von IL-1Beta und TNF-Alpha stimuliert in der Folge die Differenzierung von Osteoklastenvorläufern in reife Osteoklasten.2,3
Signifikante Verunreinigungen, wie wir sie identifizieren konnten, stören auf jeden Fall das patientenindividuelle Fremdkörpergleichgewicht. Prof. Tomas Albrektsson aus Göteborg sieht darin eine der Hauptursachen für periimplantären Knochenverlust.4


Können Zahnärzte bei Implantaten mit einer CE-Kennzeichnung auf eine rückstandsfreie Oberfläche vertrauen?
DD:
Da bin ich nach allem, was wir in den vergangenen Jahren in den Analysen gesehen haben, skeptisch geworden. Wir erhalten immer wieder Berichte von routinierten Implantologen, die unerklärliche Frühverluste beobachten. In der Analyse von steril verpackten Mustern des gleichen Typs zeigten sich dann sehr häufig erhebliche Verunreinigungen. Alle getesteten Muster hatten ein CE Zeichen.


Können Sie aufgrund Ihrer Untersuchungen konkrete Implantate benennen, die garantiert rückstandsfrei sind?
DD:
Aber sicher. Diese findet man sämtlich aufgelistet auf unserer Webseite. CleanImplant hat 2017 das „Trusted Quality Siegel“ ins Leben gerufen. Dieses Qualitätssiegel erhalten Implantatsysteme mit nachweislich chargenübergreifender Sauberkeit und verlässlichen Einheilquoten erst nach einem strengen Peer-Review Verfahren. Damit können Zahnärzte hochwertige Implantatsysteme erkennen, die ihre Qualität in unabhängigen Tests unter Beweis gestellt haben. Gleichzeitig machen wir mit dem Siegel die Hersteller sichtbar, die ihre Verantwortung wahrnehmen und Implantatsysteme in höchster Qualität produzieren – es werden von Jahr zu Jahr mehr.
Übrigens, Dental Magazin Leser können sich bei einem IDS-Messebesuch selbst ein Bild über die Qualität ihres verwendeten Implantatsystems machen. Wir sind in Halle 10.2, Stand O 042 vor Ort und haben ein REM am Stand, sodass unsere Experten die mitgebrachten Implantate – nur originalverpackt – dort direkt analysieren können. Zahnärzte können sich auch bei uns melden, wenn sie z.B. unerklärliche Frühverluste nach Implantatinsertion beobachten. In unserer Datenbank sehen wir, ob das verwendete System möglicherweise auffällige Analyseergebnisse gezeigt hat.“

Herzlichen Dank für das interessante Gespräch, Herr Dr. Duddeck.

Literatur:
[1] Mouhyi J, Dohan Ehrenfest DM, Albrektsson T. The peri-implantitis: implant surfaces, microstructure, and physicochemical aspects. Clin Implant Dent Relat Res 2012; 14: 170–183. doi:10.1111/j.1708–8208.2009.00244.
[2] Matthews JB, Besong AA, Green TR, et al. Evaluation of the response of primary human peripheral blood mononuclear phagocytes to challenge with in vitro generated clinically relevant UHMWPE particles of known size and dose. J Biomed Mater Res. 2000;52(2):296–307.
[3] Rader CP, Sterner T, Jakob F, Schutze N, Eulert J. Cytokine response of human macrophage-like cells after contact with polyethylene and pure titanium particles. J Arthroplasty. 1999;14(7):840–848.
[4] Trindade R, Albrektsson T, Tengvall P et al. Foreign Body Reaction to Biomaterials: On Mechanisms for Buildup and Breakdown of Osseointegration. Clin Implant Dent Relat Res 2016; 18: 192–203. doi:10.1111/cid.12274

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