Moderne Implantatprothetik
Full-Mouth-Rehabilitation mit gepressten Restaurationen
Ein Beitrag von Dr. Victor Clavijo, Paulo Fernando Mesquita de Carvalho und Cristiano Soares, alle São Paulo/Brasilien
Dank technologischer Weiterentwicklung und der Einführung digitaler Konstruktionslösungen können 3D-Wax-ups heute auch digital erstellt und anschließend mit hoher Präzision aus Wachs-Discs gefräst oder mit modernen 3D-Druckern gedruckt werden. Auf diese Weise wird das klassische Handwerk der Presstechnologie ausgezeichnet mit den heutigen digitalen Möglichkeiten verknüpft und die Herstellung von gepressten Restaurationen noch zuverlässiger und wirtschaftlicher.
Die Presstechnologie hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten weltweit als zuverlässige und effiziente Technik für die Herstellung keramischer Restaurationen in den Dentallaboren etabliert. Aller Digitalisierung zum Trotz ist sie auch heute noch weit verbreitet, aber auch sie verschließt sich den modernen Veränderungen nicht und entwickelt sich stetig weiter. In der Vergangenheit war die einzige Möglichkeit, Wachskonstruktionen zum Verpressen herzustellen, das manuelle Aufwachsen vor dem Pressvorgang. Dafür war einiges an Erfahrung und viel Fingerspitzengefühl des Technikers gefragt. Presskeramische Restaurationen lassen sich heute jedoch auch über die Interaktion von analogen und digitalen Abläufen lösen, wie der nachfolgende klinische Fall beweist.
Wissenswert:
Die Behandlung wurde in folgende Phasen unterteilt:
- Entfernung des Implantats im Frontzahnbereich und Knochenaufbau
- Setzen von Implantaten im Front- und Seitenzahnbereich
- Entfernung der insuffizienten Restaurationen, endodontische Behandlungen und Vorbereitung der Restbezahnung
- Provisorische Versorgung im Oberkiefer und kieferorthopädische Behandlung im Unterkiefer
- Abdrücke beider Zahnbögen
- Herstellung der Keramikrestaurationen im Labor
- Eingliederung
- Nachuntersuchungen
Fallbericht
Eine 54-jährige Patientin wurde in unserer Praxis vorstellig und klagte über Probleme beim Kauen, eine unbefriedigende Ästhetik und fehlende Zähne (Abb. 1a bis c). Nach der Erstdiagnose und dem Zusammenstellen der klinischen Daten, Fotos, Röntgenbilder und Tomographien (Abb. 2) wurden eine diagnostische Planung und ein Wax-up (Abb. 3a und b) durchgeführt, um die Schritte der oralen Rehabilitation zu organisieren.
Entfernen des Implantats und Knochenaufbau
Die alten, insuffizienten Kronen der Zähne 11 und 21 wurden entfernt und übergangsweise ein Kunststoffprovisorium angefertigt (Abb. 4a). Das Implantat wurde zunächst transgingival belassen und blieb vom Provisorium unberührt. Das Implantat wurde nach drei Tagen entfernt und eine Knochenrekonstruktion in Verbindung mit einem Bindegewebstransplantat durchgeführt (Abb. 4b bis d).
Setzen von Implantaten im Front- und Seitenzahnbereich
Zunächst wurden im Frontzahnbereich zwei Implantate (V3B+, MIS Implants) mit konischer Verbindung zwischen Implantat und Abutment inseriert, um eine sehr gute Abdichtung und reduzierte Mikrobewegungen zu erreichen. Alle Implantate wurden im Durchschnitt 4 bis 5 mm unterhalb des zukünftigen Gingivarands inseriert (Abb. 5a und b). Für ein optimales Weichgewebemanagement wurden am Alveolarkamm Gingivaformer verwendet; auch bei den Sofortimplantaten wurden personalisierte Gingivaformer eingesetzt, um das Profil des Weichgewebes zu erhalten (Abb. 6a und b).
Endodontische Behandlungen und Retreatments
Die alten, insuffizienten Restaurationen wurden entfernt und Unterschnitte mit einem Universaladhäsiv (Adhese Universal) und einem Bulk-Fill-Composite (Tetric EvoCeram Bulk Fill) gefüllt. Die endodontisch behandelten Zähne wurden mit Komposit-Restaurationen versorgt; wo aufgrund von ungünstiger Zahnstruktur notwendig, wurden Glasfaserstifte gesetzt, die mit Komposit unterfüttert wurden (Abb. 7a bis 8b).
Provisorium im Oberkiefer und KFO im Unterkiefer
Die Restaurationen für die provisorische Versorgung wurden aus einer PMMA-Disc (Telio CAD) gefräst. Diese Versorgung diente der abschließenden Konditionierung des Weichgewebes (Abb. 9a bis e) während der Einheilphase der Implantate. Parallel wurde in dieser Zeit im Unterkiefer eine kieferorthopädische Behandlung durchgeführt (Abb. 10), um eine effektive und funktionierende Front-Eckzahnführung zu erreichen.
Abdrücke beider Zahnbögen
Abdrücke der Zähne beziehungsweise Implantate im Ober- und Unterkiefer wurden mit einer Doppelfaden-Einschritt-Technik (Abb. 11), unter Verwendung offener Abdrucklöffel mit dem Polyvinylsiloxan-Abformmaterialien Virtual Putty und Virtual Extra Light, erstellt. Bei der Bissregistrierung wurde mit Kunststoff an drei Punkten – zwei Seitenzähnen und einem Frontzahn – stabilisiert.
Herstellen der Keramikrestaurationen
Es wurde je ein Arbeitsmodell für den Ober- und Unterkiefer gefertigt und einartikuliert (Abb. 12a und b). Die Überlagerung der Bilder von den provisorischen Restaurationen und der präparierten Situation in der CAD-Software ermöglichte uns die Konstruktion der zu fräsenden Zirkonoxid-Abutments (IPS e.max ZirCAD MO1). Die Abutments wurden hergestellt und in das Arbeitsmodell eingesetzt (Abb. 13a und b). Danach wurde ein erneuter Scan der Modelle gemacht. Wieder wurden die Präparationsbilder mit dem Wax-up überlagert und nun 3D-Daten der geplanten Keramikrestaurationen erstellt. Hierbei wurden die Seitenzähne monolithisch geplant, bei den oberen Frontzähnen wurde ein Cut-back eingeplant, um mittels einer labialen Keramikschichtung die Ästhetik zu optimieren.
Nach der 3D-Konstruktion wurden die digitalen Restaurationen präzise und effizient in Wachs gefräst und nach der Ausarbeitung (Abb. 13c bis 14) im Artikulator angepasst. Abschließend wurden die passgenauen Wachskonstruktionen eingebettet und gepresst. Dafür wurden IPS e.max Press Lithiumdisilikat-Glaskeramik-Rohlinge verwendet. Dieses Material zeichnet sich durch eine sehr hohe Festigkeit, ausdrucksstarke Ästhetik und langfristige Stabilität aus. Nach dem Pressvorgang (Abb. 15a) wurden die aus Gründen der erhöhten Sicherheit und Stabilität für den stärker beanspruchten posterioren Bereich monolithisch gefertigten Seitenzähne lediglich mit Malfarben charakterisiert.
Bei den Frontzähnen war bei diesem Patientenfall etwas mehr individuelle Ästhetik gefragt, weshalb hier mit der Schichtkeramik IPS e.max Ceram individualisiert wurde. (Abb. 15b bis 16g). Die Kronen im Seitenzahnbereich wurden mit einem speziellen, selbsthärtenden Befestigungskomposit (Multilink Hybrid Abutment) auf den Zirkonoxid-Abutments zementiert (Abb. 17a bis e), wobei das APC-Protokoll (M. B. Blatz) befolgt wurde.
Eingliederung
Nach der Einprobe im Mund und geringfügigen Anpassungen der interproximalen und okklusalen Kontaktpunkte wurde final gummiert und die Oberflächen erhielten eine neue Glasurschicht. Die Eingliederung der Restaurationen erfolgte nach einem Protokoll mit Kofferdamisolierung und adhäsiver Befestigung (Multilink Automix) (Abb. 18a bis c). Die Implantatschrauben wurden mit einem Drehmoment von 35 N angezogen (Abb. 19a und b) und die Schraubenöffnungen provisorisch verschlossen.
Nachuntersuchungen
Es werden halbjährliche Nachkontrollen durchgeführt, einschließlich Prophylaxe, Röntgenaufnahmen und Anpassungen der Knirscherschienen, die nachts getragen werden.
Produktliste
Produkt | Name | Firma |
Adhäsives Befestigungssystem | Multilink Automix | Ivoclar |
Befestigungskomposit | Multilink Hybrid Abutment | Ivoclar |
Bulk-Fill-Composite | Tetric EvoCeram Bulk Fill | Ivoclar |
Implantat | V3 B+ | MIS Implants |
Lithiumdisilikat-Rohling | IPS e.max Press | Ivoclar |
PMMA-Disc | Telio CAD | Ivoclar |
Polyvinylsiloxan-Abformmaterialien | Virtual Extra Light | Ivoclar |
Polyvinylsiloxan-Abformmaterialien | Virtual Putty | Ivoclar |
Schichtkeramik | IPS e.max Ceram | Ivoclar |
Universaladhäsiv | Adhese Universal | Ivoclar |
Zirkonoxid-Disc | IPS e.max ZirCAD | Ivoclar |
Fazit
Uns bietet die Kombination moderner, digitaler, bewährter und präziser Herstellungsmethoden viele neue Möglichkeiten und den Vorteil, das Beste aus beiden Welten in Einklang zu bringen und davon zu profitieren. Die Presstechnologie steht für die exakte Reproduktion von Form und Funktion, wobei die anfängliche Planung von Wachs in Keramik überführt wird. Auf welchem Weg die Wachskonstruktionen hergestellt werden, spielt dabei keine Rolle. Die digitale Herstellung macht den Laborablauf hier aber noch effizienter und kostensparender, da das eher zeitaufwendige Aufwachsen von Hand entfällt. Presskeramisch gefertigte Restaurationen überzeugen schlussendlich mit Passgenauigkeit, langfristiger Stabilität und ausdrucksstarker Ästhetik (Abb. 20a und b). Durch das Verknüpfen mit der digitalen Herstellung der Wachskonstruktionen werden wir effizienter und schneller und können uns auf das Finalisieren der Restaurationen konzentrieren.
Dr. Victor Clavijo
- DDS, MSc, PhD in restaurativer Zahnheilkunde der zahnmedizinischen
- Fakultät (Campus Araraquara) der Universität São Paulo/Brasilien
- Abschluss in Zahnmedizin an der Paulista Universität (UNIP)
- Spezialisierung in restaurativer Zahnheilkunde an der zahnmedizinischen Fakultät (Campus Araraquara) der Universität São Paulo (UNESP)
- Spezialisierung in Implantologie an der SENAC Universität in São Paulo
- Masterabschluss und PhD in restaurativer Zahnheilkunde an der zahnmedizinischen Fakultät (Campus Araraquara) der Universität São Paulo (UNESP)
- Privatpraxis mit Schwerpunkt auf ästhetischer restaurativer
- Zahnheilkunde