Implantatprothetik wie gewachsen

Implantatprothetik wie gewachsen

In Rohlingen für den digitalen Workflow stecken mittlerweile zahnähnliche optische Eigenschaften, die bei einer patientengerechten Auswahl eine Individualisierung beziehungsweise Charak­terisierung auf ein Minimum reduzieren oder sogar obsolet machen. Schlüssel dafür ist die grundsätzliche Farbtreue zu der bestimmten Zahnfarbe, ein natürlicher Farbverlauf vom Hals bis zur Schneide und ein natürliches Lichtspiel mit zahnähnlichen Effekten. Gerade bei implantatprothetischen Versorgungen des gesamten Kiefers muss neben der Ästhetik auch eine ausreichende Stabilität und Funktionalität gewährleistet sein, um im klinischen Langzeitverlauf zu bestehen. Funktionelle Bereiche sollten ohnehin immer monolithisch gefertigt werden, um das Chipping- und Frakturrisiko zu reduzieren. Wie das polychromatische Zirkondioxid Vita YZ STMulticolor die CAD/CAM-gestützte Fertigung solcher Rehabilitationen reproduzierbar macht, zeigen die Zahntechniker Norbert Wichnalek, Lukas Wichnalek und Arbnor Saraci (Highfield.Design – Zahntechnik Wichnalek, Augsburg, Deutschland) anhand eines Patientenfalls.

Ausgangssituation und ­Materialwahl
Ein Patient hatte aufgrund des häufigen Konsums von zuckerhaltigen Getränken und der daraus resultierenden kariösen Schädigung alle Zähne im Oberkiefer ­verloren. Da er sich mit Anfang sechzig wieder einen festsitzenden Zahnersatz wünschte, wurden insgesamt sechs Implantate inseriert. Nach Abheilung, Osseointegration und entsprechender Freilegung wurden Abformpfosten aufgeschraubt und die Situation konventionell abgeformt. Die digitale, umgebungsunabhängige Zahnfarbbestimmung mit dem Spektrofotometer Vita Easyshade V ergab an den natürlichen Unterkieferzähnen eine A3 im Vita classical A1-D4 Farbstandard. Für die definitive, implantatpro­thetische Ganzkieferversorgung wurde deswegen das supertransluzente und ­polychromatische Zirkondioxid Vita YZ ­STMulticolor in der entsprechenden Farbe A3 ausgewählt. Mit einer Biegefestigkeit von 1.200 MPa ist das Zirkonoxid mit einem Yttrium-Anteil von 4 mol% gerade für die starken Belastungen in der Implantatprothetik geeignet1 2. Andererseits bietet es gleichzeitig mit einer hohen Transluzenz von 46 % zahnähnliche optische Eigenschaften.3 4 Die Präzision beim Fräsvorgang und dem Sinterschrumpf sorgen für detailgetreue Fräsergebnisse und eine exzellente Passung bei der Integration von implantatprothetischen Schnittstellen5.

Morphologie und Textur im Rohzirkonoxid
Auf der Grundlage der Abformung wurde ein Meistermodell mit Implantatanaloga und Gingivamaske hergestellt. Dieses wurde im Laborscanner Medit T710 (Medit, Seoul, Südkorea) digitalisiert, so dass die virtuelle Konstruktion aus Vita YZ STMulticolor in der exocad Software (exocad, Darmstadt, Deutschland) vorgenommen werden konnte. Abschließend folgte der Fräsauftrag an die Milling Unit Imes-icore 350i PRO (Imes-icore, Eiterfeld, Deutschland). Die grundlegende Form war nach dem Fräsvorgang schon präzise umgesetzt worden. Letzte Details der Morphologie und die Textur wurden nun schon im Rohzirkonoxid eingearbeitet. Als Instrumente dienten dafür ein Handstück mit Zirkonoxidfräser, ein Zirkonoxidskalpell, eine Drahtbürste aus Edelstahl und ein Pinsel. Die Ausarbeitung auf dem weißen Kreidestadium erfolgte unter einer Lampe, um währenddessen mit Licht und Schatten spielen zu können und über die Kontrastwirkung den Arbeitsstand erfassen zu können. Ziel war es, eine Morphologie und Textur entstehen zu lassen, die nach dem Sintern keiner Nacharbeit mehr bedurfte. Nach abschließender Kontrolle unter der Lampe konnten die ersten farblichen Effekte etabliert werden.

Infiltration von Farbeffekten
Zum Zirkonoxidsystem Vita YZ gehören auch die auf das Material abgestimmten Effect Liquids zur Infiltration vor der Sinterung. Auf diese Weise können patienten­individuelle Farbeffekte homogen bis in die Tiefe des Zirkonoxids erzeugt werden. Der Zervikalbereich wurde auf diese Weise mit dem Vita YZ Effect Liquid Chroma A farbintensiver gestaltet. Mit dem Effect Liquid Blue wurde eine bläuliche Transluzenz an den distalen und mesialen Leisten der Frontzähne und an den Höckerspitzen der Prämolaren und Molaren geschaffen. Die Einarbeitung eines vertikalen Farbspiels erfolgte vestibulär mit Linien aus Effect Liquid Chroma A. Die Tiefe der Kauflächen wurde mit Effect Liquid Chroma Orange dezent intensiviert. Nach entsprechender Trocknung unter einer Wärmelampe wurde die implantatprothetische Konstruktion abschließend gesintert.

Individualisierung und ­Oberflächenveredelung
Nach dem Sintern wurden die mukogingivalen Anteile mit der universellen Verblendkeramik Vita Lumex AC reproduziert, wobei nur drei verschiedene Gingivamassen nötig waren, um die Anatomie des Patienten plastisch zu simulieren. Die Papillenbereiche erhielten ihre natürliche Wirkung mit Vita Lumex AC Gingiva rosewood, die Alveolar- und Zervikalregionen mit Gingiva nectarine. Die restlichen Bereiche wurden mit Gingiva light rose komplettiert. Nach einem ersten Brand wurde der gesamte Verblendbereich homogen mit transluzentem Enamel clear überschichtet, um die darunter liegenden Modellationen dreidimensional aus der Tiefe wirken zu lassen. Nach dem Brennen der Verblendkeramik erfolgte jetzt ein letztes Surface Enobeling mit dem Malfarbensystem Vita Akzent Plus. Zervikal und im Bereich des Dentinkörpers wurde mit Vita Akzent Plus Body Stains 02 (BS02) gelb-braun intensiviert. Die Eckzähne wurden im Bereich des Dentinkörpers mit BS04 (olive-grau) noch chromatischer gestaltet als die restlichen Zähne. Die Einarbeitung von inzisalen Effekten erfolgte mit Effect Stains 10 (lila) und 11 (blau). Nach dem Fixierbrand erfolgte die Glasur mit Vita Akzent Plus Glaze Spray, was einen dünnen, homogenen und schnellen Auftrag ermöglicht. Nach dem Glasurbrand wurden die Implan­tatschnittstellen mit dem universellen ­Befestigungssystem Vita Adiva in die implantatprothetische Suprakonstruktion eingefügt.

Fokussierung auf Form, Textur und Funktion
Das farbtreue und polychromatische Zirkondioxid Vita YZ STMulticolor war die Grundlage, um mit minimalen Individualisierungen eine hochästhetische implantatprothetische Versorgung entstehen zu lassen. Im Zahnbereich reichten nach der Sinterung nur minimale Charakterisierungen aus. Schlüssel dafür war die Konzentration auf Zahnform und Textur im vestibulären Bereich. Die manuelle Arbeit kann schnell und einfach im Kreidestadium umgesetzt werden. Die statischen und dynamischen Funktionsbereiche wurden konsequent monolithisch gefertigt, so dass das in der Implantatprothetik gefürchtete Chipping verhindert wird, ohne irgendwelche ästhetischen Kompromisse eingehen zu müssen. Da die Verbinder stärker als bei vollverblendeten Gerüsten designt werden können, senkt das gleichzeitig auch das Frakturrisiko für die Gesamtkonstruktion. Implantatprothetische Gerüste komplett zu verblenden, gehört damit der Vergangenheit an. Zudem rücken das künstlerische Talent und die persönliche Tagesverfassung in den Hintergrund, da die Zähne sozusagen schon im Rohling stecken. Die Bilder der lebensechten und robusten Rehabilitation sprechen für sich.

Literatur
[1] Rohr N, Balmer M, Müller JA, Märtin S, Fischer J. Chewing simulation of zirconia implant supported restorations. J Prosthodont Res 2019 Jul; 63: 361–367.
[2] Spitznagel FA, Röhrig S, Langner R, Gierthmuehlen PC. Failure Load and Fatigue Behavior of Monolithic Translucent Zirconia, PICN and Rapid-Layer Posterior Single Crowns on Zirconia Implants. Materials (Basel). 2021 Apr 15; 14(8): 1990. 
[3] Devigus A, Lombardi G. Shading Vita YZ substructures: influence on value and chroma, part I. Int J Comput Dent 2004 Jul; 7: 293–301.
[4] Sen N, Isler S. Microstructural, physical, and optical characterization of high-translucency zirconia ceramics. J Prosthet Dent 2020 May; 123: 761–768.
[5] Att W, Komine F, Gerds T, Strub JR. Marginal adaptation of three different zirconium dioxide three-unit fixed dental prostheses. J Prosthet Dent 2009 Apr; 101: 239–47.

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