Gutes Timing – weniger Schmerzen
Sofortimplantationen sind unter Einhaltung bestimmter Kriterien ein bewährtes Behandlungskonzept. Diese Therapieform zeichnet sich in erster Linie durch eine Minimierung der chirurgischen Eingriffe aus, damit einhergehend aber auch durch die Reduzierung postoperativer Beschwerden sowie geringere Kosten. Neben diesen – auch psychologischen – Vorteilen für den Patienten ist aus klinischer Sicht der Erhalt der umgebenden Hart- und Weichgewebestrukturen essenziell.
Ein umfassendes implantologisches und biologisches Wissen ist bei einer Sofortimplantation ebenso essenziell wie die Wahl des Implantatsystems [1]. Dieses sollte die Anforderungen für Sofortversorgungskonzepte erfüllen und dazu beitragen, in anatomisch kritischen Strukturen die benötigte Primärstabilität zu erreichen.
Klinischer Fall
Der Patient, 67 Jahre alt, männlich, Nichtraucher und ohne Allgemeinerkrankungen, stellte sich mit einer starken Beeinträchtigung im Seitenzahnbereich im linken oberen Quadranten in der Praxis vor. Ihm war eine Keramikbrücke von Zahn 25 bis Zahn 27 beim Essen gebrochen. Die klinische Untersuchung ergab eine Wurzelfraktur an Zahn 25 – der vor einigen Jahren endodontisch behandelt worden war – und eine leicht suprakrestal gelegene Querfraktur an Zahn 27. In diesem Bereich zeigten sich eine entzündliche Gingiva und PUS-Austritt. Der Amalgamaufbau an Zahn 24 war insuffizient und restaurationsbedürftig (Abb. 1 und 2). Die radiologische Diagnostik zeigte, dass eine endodontische Behandlung an den Zähnen 25 und 27 aufgrund des großen Verlusts der koronalen Zahnhartsubstanz nicht realisierbar war. Sie mussten entfernt werden, wohingegen der Zahn 24 mittels einer Wurzelbehandlung prothetisch rehabilitiert werden konnte.Der Patient lehnte eine abnehmbare Versorgung ab und wollte auch keine weiteren Maßnahmen für einen Knochenaufbau durchlaufen, die für die Schaffung eines adäquaten Implantatlagers in regio 26 und 27 notwendig waren. Deshalb schlug das behandelnde Team eine Implantatversorgung in regio 25 und 26 vor.
Planung und vorbereitende Massnahmen
Die Planung erfolgte auf der Basis der Daten aus der digitalen Volumentomografie (DVT). Diese Bildgebung ermöglicht eine präzise Diagnostik und stellt Hart- und Weichgewebestrukturen gleichzeitig dar. Im vorliegenden Fall war die Auswertung der DVT-Aufnahme der Periapikalregion bei Zahn 27 unverzichtbar. Sie zeigte den Knochendefekt, den dünnen Kieferknochenanteil, die Nähe zur Kieferhöhle und den entzündlichen Prozess. Mit den 3D-Daten und einer Implantatplanungssoftware (Simplant dental, Dentsply Sirona) konnte in regio 25 die Platzierung eines 3,8-mm-Durchmesser-Implantats mit der Länge 11 mm und in regio 26 eines kurzen Implantats (Ø 4,3 mm / L 7 mm) ermittelt werden (Abb. 3). Nach erfolgter professioneller Zahnreinigung wurde der Patient in der häuslichen Mund- und Zahnhygiene unterwiesen.
Endodontische Therapie und Stumpfaufbau
Anschließend erfolgte die endodontische Behandlung an Zahn 24. Er war bei der Wurzelkanalfüllung klinisch beschwerdefrei und zeigte röntgenologisch keine Anzeichen entzündlicher umliegender Strukturen. Da die klinische Krone einen deutlichen Substanzverlust zeigte, musste der Stumpf aufgebaut werden (Abb. 4). Mit einem Glasfaserstift und glasfaserverstärktem Komposit wurde eine ausreichend dimensionierte Retentionsfläche erzielt, um eine Krone zu zementieren. Glasfaserverstärkte, adhäsiv befestigte Stifte und Kompositfüllungen haben ein dentinähnliches biomechanisches Verhalten, das auftretende Kräfte besser auf die umgebende Zahnhartsubstanz verteilt und Spannungsspitzen im Wurzelkanal – wie sie beispielsweise bei Metall-, Zirkon- oder Carbonstiften auftreten – minimiert [2]. Als temporäre Versorgung – und aus rein ästhetischen Gründen – wurde eine Kompositkrone mit einem außer Funktion gestellten Brückenanhänger gefertigt. Der Wurzelrest von Zahn 27 sollte in situ verbleiben, um das Risiko einer bukkosinusalen Kommunikation zu vermeiden. Die Entzündung wurde durch Reinigen der Wurzeloberfläche und der Tasche behandelt und antibiotisch abgeschirmt.
Die Sofortimplantation
Die chirurgische Phase wurde mittels Lokalanästhesie ohne Vasokonstriktoren, um die Vaskularisation nicht zu reduzieren und die Heilungsphase so schnell wie möglich anzuregen, eingeleitet. Nach einer krestalen Inzision erfolgten die Präparation eines Mukoperiostlappens und die möglichst atraumatische Entfernung des Zahnrests 25 unter Verwendung der Piezochirurgie (Mectron, Carasco (GE), Italien). Die bukkale Knochenlamelle blieb unversehrt. Die protokollgerechte Implantatbettaufbereitung für zwei Implantate in regio 25 und 26 wurde nach sorgfältiger Reinigung der Extraktionsalveole durchgeführt. Im Prämolarenbereich wurde ein Conelog-‧Progressive-Line-Implantat Ø 3,8 mm / L 11 mm (Camlog) ‧inseriert und ein kurzes Conelog-Progressive-Line-Implantat (Ø 4,3 mm / L 7 mm) in regio 26. Das Hybridkörperdesign und die Gewindegeometrie zeigten speziell bei dem Implantat in regio 25, das vorwiegend über den selbstschneidenden apikalen Implantatkörper in der frischen Extraktionsalveole platziert wurde, seine Stärken. Die ausgezeichnete Primärstabilität wurde sowohl bei dem Sofortimplantat durch die Verankerung im basalen residualen Knochen als auch beim kurzen Implantat durch die Messungen (ITV 45 N bzw. 50 N, und ISQ 71 und 82, jeweils Carasco (GE), Italien) bestätigt. Dank der stabilen primären Verankerung konnte das Protokoll der transgingivalen Einheilung verfolgt werden. Dafür wurden 4 mm breite Gingivaformer eingeschraubt, und das Knochendefizit im krestalen vestibulären Bereich der Implantatschulter wurde mit einem porcinen Knochenersatzmaterial (Miner Oss XP, BioHorizons Camlog) verfüllt (Abb. 5–7). Das integrierte Platform-Switching diente dem Schutz des marginalen Knochens. Mit Einzelknopfnähten (PTFE/Biotex Purgo Biologics) erfolgte der speicheldichte Weichgewebeverschluss.
Wurzelrest stützt in der provisorischen Phase
Der Wurzelrest regio 27 sollte bis zur definitiven Versorgung in situ bleiben, weil die Entfernung zum Zeitpunkt der Implantation nicht einschätzbare Verletzungen des Kieferknochens oder der Kieferhöhle ebenso wie nicht zuverlässig vorhersagbare Resorptionsprozesse nach sich ziehen könnte. Das kurzzeitige Verbleiben des Wurzelrests ermöglichte ein besseres Weichgewebemanagement in der Postextraktionsphase [3]. Die Oberfläche des Wurzelrests wurde knapp unterhalb des krestalen Knochenniveaus geglättet, um die Weichgewebeheilung zu unterstützen. Diese wurde in engmaschigen Kontrollterminen und mithilfe von Röntgenbildern (einen Monat und vier Monate nach der Operation) überprüft. Nach vier Wochen zeigte sich der Knochen in regio 27 stabil und ein vollständig entzündungsfreier Sinus maxillaris. Vier Monate nach der Implantation betrug der ISQ 79 für das Implantat regio 25 und 82 für das Implantat regio 26.
Die prothetische Versorgung
Nach einer viermonatigen transgingivalen Heilungszeit erfolgte die geschlossene Abformung mit einem individuellen Abformlöffel für die Herstellung von drei Zirkonoxid-Kronen. Zunächst wurden Titanabutments patientenindividuell und mit einer leichten Konizität von 5° beschliffen. Zur Verbesserung des Haftverbunds beim Zementieren wurden die Flächen der beiden Abutments mit Zirkoniumdioxid „sandgestrahlt“. Aufgrund des kurzen Implantats in regio 26 und zur Gewährleistung einer gleichmäßigen Krafteinleitung wurden die beiden Implantatkronen verblockt und mit wasserlöslichem eugenolfreiem Zement (Freegenol Temporary, GC) befestigt. Der Prämolar 24 wurde mit einer Einzelkrone versorgt. Eine kleine krestale Inzision war erforderlich, um den Wurzelrest von Zahn 27 atraumatisch zu entfernen (Abb. 8–10).
Schlussfolgerung
Die Sofortimplantation ist unter Berücksichtigung bestimmter Kriterien und Indikationsstellung inzwischen eine bewährte Therapieoption mit vielen Vorteilen, aber ebenso vielen Herausforderungen. Der Patient konnte innerhalb von fünf Monaten mit einer definitiven Restauration rehabilitiert werden,; funktionell und ästhetisch ist er zufrieden. Nach Abschluss der Behandlung ist die Situation sowohl klinisch als auch radiologisch stabil. Aufgrund des erzielten volumenstabilen Knochens in regio 27 könnte zu einem späteren Zeitpunkt ein weiteres Implantat inseriert werden.
Neben den patientenspezifischen Faktoren, einer sorgfältigen Planung und der Erfahrung des Implantologen ist das Implantatsystem ein weiteres Erfolgskriterium. Der aktuelle Fall wurde mit dem Progressive Line Implantatsystem realisiert, dessen Außengeometrie konsequent darauf ausgerichtet ist, hohe Primärstabilität auch in sehr weichem Knochen zu erreichen. Weitere essenzielle Designfeatures sind der apikal sich stark verjüngende Implantatkörper, ein progressives, ausladendes selbstschneidendes Gewinde und eine bewährte Oberflächenstruktur. Zusätzlichen Halt bei begrenzter Knochenhöhe bietet ein krestales Gewinde. Das integrierte ‧Platform-Switching des Conelog Implantatsystems unterstützt die periimplantären Weichgewebe. Ein ruhiger Bohrerrundlauf und eine hohe Schneidfähigkeit [4] der Bohrer ermöglichen eine präzise Aufbereitung des Implantatbetts, ohne auszulenken.
Literatur
- Bhola M, Neely AL, Kolhatkar S. Immediate Implant Placement: Clinical Decisions, Advantages, and Disadvantages. J Prosthodont. 2008;17(7): 576-81.doi:10.1111/j.1532-849x.2008.00359.x
- Anchieta RB, Rocha EP, Almeida EO et al. Influence of customized composite resin fibreglass posts on the mechanics of restored treated teeth. Int Endod J 2012; 45: 146–155
- Gluckman H, Salama M, Du Toit J. Partial Extraction Therapies (PET) part 1: Maintaining alveolar ridge contour at pontic and immediate implant sites. Int J Periodontics Restorative Dent. 2016;36(5):681-87. doi:10.11607/prd.2783
- Internal documentation of international prelaunch.